Stadtentwicklung neu denken
Online-Handel, Konsumkritik, neue Arbeitswelten, Klimakrise, Verkehrswende und Corona-Pandemie: Stadtzentren müssen und werden sich in den kommenden Jahren neu erfinden. Wie sieht die Innenstadt der Zukunft aus?
Rhein.Main.Fair hat Konzepte zusammengetragen, die Innenstädte gleichzeitig attraktiver und zum Teil einer Nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Sustainable Development Goals (SDGs) machen.
Wie kann eine lebenswerte Innenstadt im 21. Jahrhundert aussehen? Welche Chancen und Risiken bringen globale Mega-Trends wie Digitalisierung oder Klimawandel mit sich? Und wie kann ein konkreter Beitrag zum Erreichen der SDGs 11 (“Nachhaltige Städte und Gemeinden”) und 12 (“Nachhaltige/r Konsum und Produktion”) geleistet werden? Wir glauben, dass jede einzelne Kommune handlungsfähig ist. Gemeinsam mit Stadtverwaltungen, Stadtplaner*innen und Verbänden haben wir eine Reihe an Best-Practice-Beispielen identifiziert und im Rahmen zweier Veranstaltungen verschiedene Akteure an einen Tisch gebracht. Beides wird auf dieser Seite dokumentiert.
AG Kommune im April 2023: “Fairer Handel als Chance für den lokalen Handel und Gastronomie”
In vierteljährlich von Rhein.Main.Fair organisierten Treffen tauschen sich bereits ausgezeichnete und in Bewerbung stehende Fairtrade-Towns niederschwellig über die lokale Umsetzung von Fairem Handel und öko-sozialer Beschaffung aus. Im April 2023 stand die hier zusammengefasste Innenstadtproblematik auf der Tagesordnung: Was können Kommunen, Wirtschaftsförderungen und der Einzelhandel tun, um Stadtzentren neu und nachhaltig zu beleben?
Silvio Zeizinger, Geschäftsführer des Einzelhandelsverband Südhessen, referierte zur aktuellen Situation des Einzelhandels in Hessen. Klar wurde unter anderem, dass der Einzelhandelsanteil bei privaten Konsumausgaben (derzeit 32 Prozent) konstant abnimmt und gerade jüngere Menschen Innenstädte immer seltener zum Einkaufen aufsuchen. Barbara Lilje stellte als Vertreterin der Fairtrade-Town Eltville am Rhein eine Kommune vor, die in den Bereichen Fairer Handel und Nachhaltige Entwicklung außerordentlich aktiv ist. Eltville nahm bereits an zahlreichen Förderprogrammen rund um nachhaltige Stadtentwicklung teil, entwickelt regelmäßig aufwändige Beteiligungsprozesse und hat unter anderem eine ämterübergreifende SDG-Arbeitsgruppe sowie eine Broschüre zu “nachhaltigem” und lokalem Konsum und Genuss entwickelt.
Das Treffen endete mit einer offenen Diskussionsrunde, an welcher unter anderem Markus Buch (EDEKA) sowie Cristina Pflaum und Christina Schlag (beide Weltläden in Hessen e.V.) teilnahmen. Frau Pflaum konnte berichten, dass die deutschen Weltläden die Corona-Pandemie “erstaunlich gut” überstanden hätten, was sich unter anderem auf die steigende Bedeutung von Einkäufen vor Ort und Fairem Handel im Allgemeinen zurückführen lassen. Herr Buch brachte mehrere Qualitätsmerkmale einer Innenstadt in die Diskussion ein: So sollten Geschäfte stets gut erreichbar sein, Verweilqualität besitzen und sich einem “breiten konkurrierendem Angebot” konfrontiert sehen.
Materialien rund um die Veranstaltung können hier heruntergeladen werden:
Innenstädte und Nachhaltige Entwicklung – vielschichtige Zusammenhänge
In Innenstädten wird eingekauft, gegessen und getrunken, gewohnt, gearbeitet, sich fortbewegt, weitergebildet und unterhalten. Ansatzpunkte auf dem Weg in eine Zukunft im Sinne der Sustainable Development Goals (SDGs) existieren demnach gleich mehrere. Positive Trends sind bereits erkennbar: Im Rahmen unserer AG Kommune (siehe Text links) referierte der Geschäftsführer des Einzelhandelsverband Südhessen, dass in einer aktuellen Studie zu Kaufentscheidungen 58 Prozent aller Befragten Nachhaltigkeitsaspekte beachten würden – Tendenz steigend. Second-Hand-, Fairtrade-, Verleih- und Reparaturangebote würden zudem allesamt an Interesse und Umsatz gewinnen. Eine Chance für die Innenstadt von morgen? Potenzial ist in jedem Fall noch vorhanden: Bis heute erfüllen viele Fairtrade-Towns “nur” Minimalanforderungen, was den Handel mit fairen Produkten angeht, und “Second Hand”, “Sharing” oder “Fairtrade” bleiben bei allem Wachstum Nischenphänomene.
Neue Leitbilder
Eine Online-Broschüre des Deutschen Instituts für Urbanistik (“Frischer Wind in die Innenstädte”) liefert theoretischen Hintergrund zu den hier besprochenen Themen. Konsum und Versorgung als Leitfunktion von Innenstädten würden demzufolge gegenüber anderen Besuchsgründen an Bedeutung verlieren. Vorliegende Positionspapiere zur Zukunft der Innenstädte skizzieren eine “gemeinwohlorientierte, soziale, klimaangepasst und resiliente” Umgebung, schreiben die Autor*innen weiter. Die Innenstadt der Zukunft müsse stadtindividuell entwickelt und von allen Akteuren getragen werden.
Ins Handeln kommen
Im Rahmen unserer Abschlussveranstaltung des Projekts kam berechtigterweise die folgende Frage auf: “Wir und auch andere Vereine, Kommunen und Städte befassen uns nun schon seit geraumer Zeit mit der Frage, wie man die Problematik der Innenstädte angehen kann. Es sind unzählige Publikationen erschienen, Broschüren herausgegeben worden, und dennoch kommen wir nur recht kleinschrittig voran. Die Verzweiflung wächst. Was können Sie noch als Handlungsmaßnahme empfehlen?”
Die Antwort unserer Referierenden war genauso simpel wie zufriedenstellend. Es geht um niedrigschwelliges Handeln. Das Selbstorganisieren in Gruppen, Eigeninitiative, das Zusammenschließen mit Gleichgesinnten und kreatives Ausprobieren. Die große Transformation erfordere viele kleine Einzelschritte. Machen Sie mit?
Abschlussveranstaltung “Meine Stadt von morgen” im Juni 2023
In der Frankfurter Agentur des städtischen Wandels kamen zum Abschluss des Projekts weitere Referent*innen zusammen. Der Veranstaltungsort hätte passender kaum sein können: Anfang 2023 wurde in Frankfurt ein Laboratorium partizipativer Stadtentwicklung geschaffen, das sich auch in unserer untenstehenden Liste an Best-Practice-Beispielen wiederfindet. Die Agentur des städtischen Wandels ist Teil des Projekts “Post-Corona-Innenstadt Frankfurt”, das von Andrea Schwappach geleitet wird. Frau Schwappach referierte im Rahmen unserer Veranstaltung zur Frankfurter Innenstadt der Gegenwart und bereits umgesetzten Beteiligungsformaten. Ergänzt wurde ihr Beitrag durch Impulse von Torsten Becker (Vorsitzender des Städtebaurats Frankfurt), der eine städteplanerische Perspektive in die Diskussion einbrachte, und Steffen Weber (Geschäftsführer Weltläden Deutschland), der Weltläden als einen Baustein vitaler Innenstädte beschrieb. Digital zugeschaltet schilderte Volker Diefenbach, Bürgermeister der Kommune Heidenrod, welche Herausforderungen und Lösungsansätze der seit 2017 zertifizierten Fairtrade-Kommune in den vergangenen Jahren begegnet sind.
Materialien rund um die Veranstaltung können hier heruntergeladen werden:
Download: Präsentation Torsten Becker (Städtebaurat Frankfurt)
Als Herzstück unseres Projektes haben wir Best-Practice-Maßnahmen und Vorbildkommunen im Bereich “Nachhaltige Innenstadtbelebung” für Sie zusammengetragen:
Best-Practice-Beispiele
Wie wird Ihre eigene Innenstadt zu einem lebenswerten Spielfeld nachhaltiger Entwicklung im 21. Jahrhundert? Im Rahmen unserer Recherchen ist eine lange Liste an Anregungen, Beispielprojekten und Prozessideen entstanden. Diese stellen wir hier zur Verfügung – wir wünschen viel Spaß beim Ausprobieren!
Vorbildkommunen: Hier wird Zukunft geschaffen!
Im Rahmen unserer Recherchen sind uns einige Kommunen unterschiedlicher Größe ins Auge gesprungen, die sich besonders umfassend oder kreativ mit dem Thema “Lebenswerte Innenstadt” beschäftigen. Ihre Ansätze und Ideen fassen wir hier zusammen.